Inside HKomm
Der Podcast – Folge 2
Zwischen Beratung und Marketing – wie die Zusammenarbeit gelingt
Ina Teloudis
Herzlich willkommen zu Inside Hochschulkommunikation oder kurz Inside Hkomm, dem Podcast für alle, die Hochschul- und Wissenschaftskommunikation gestalten, weiterdenken und vernetzen wollen. Ich bin Ina Teloudis und wir wollen heute auf ein Spannungsfeld gucken, das wahrscheinlich viele aus der Praxis auch kennen. Einerseits ganz eng verbunden, trotzdem liegen manchmal so ein bisschen Welten dazwischen: Studienberatung und Studierenden-Marketing. Wie lassen sich sachliche Infos, aber auch kreative Ansprache, Orientierung und Imagebildung so zusammendenken, dass daraus dann am Ende auch ein stimmiges Ganzes wird? Wir haben uns da drei Gäst:innen eingeladen und digital zugeschaltet. Das ist zum einen Michaela Wurm, Studierenden-Marketing an der Ruhr Uni Bochum. Dann Oliver Claves, er ist Studienberater an der Uni Kassel, und Patricia Hennings von der Agentur Mandarin EDU, Expertin für Bildungsmarketing. Wärt ihr so lieb und sagt einmal, was genau ihr im Tagesgeschäft so macht? Michaela, fang doch mal an.
Michaela Wurm
Genau, auch von mir erst mal vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich bin jetzt seit genau zwölf Jahren hier an der Ruhr Universität tätig und mein Tagesgeschäft ist ganz bunt, sodass ich eigentlich morgens gar nicht weiß häufig, was mich so erwartet. Wir sind ein kleines Team im Studierenden-Marketing mit aktuell vier Mitarbeiterinnen. Es sind auch wirklich nur Mitarbeiterinnen. Und wir verstehen uns sozusagen als das Sprachrohr unseres Studierenden-Services. Das heißt, im Studierenden-Service, in der zentralen Studienberatung, im Career Service gibt es ganz viele tolle Beratungs-und Informationsangebote für Studierende, Interessierte und Studierende. Und wir sind dafür zuständig, nach außen hin zu kommunizieren, sodass möglichst viele Interessierte an diesen Angeboten teilnehmen können.
Ina Teloudis
Ganz abwechslungsreich, also. Oliver, wie ist es bei dir?
Oliver Claves
Ja, auch von mir. Ein herzlicher Dank, dass ich dabei sein darf. Ich bin Studienberater und auch aktiv in der Gesellschaft für Informationen und Beratung und Therapie an Hochschulen. Ich bin zuständig mit meiner Kollegin für die Begleitung durch den Orientierungsprozess. Das heißt, Studieninteressierte als auch Studierende sind unsere Zielgruppe. Die Studieninteressierten machen ungefähr 60% aus und wir begegnen denen auf unterschiedliche Art und Weise. Unser Kerngeschäft ist die Einzelberatung, sodass Personen zu uns kommen und dann auch eine Stunde Zeit haben, wo wir ganz individuell gucken können, was deren Bedarfe sind und dann versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden. Ansonsten kommen auch Schulen auf uns zu, entweder weil sie uns einladen, dass wir vorbeikommen und ein bisschen was über das Studium erzählen, oder die dann zu uns kommen. Und ich gestalte dann so ein Tagesprogramm für die. Wir stehen natürlich auch auf Messen und informieren dort über das Studium. Genau.
Ina Teloudis
Und Tritzi, was machst du den ganzen Tag?
Patricia Hennings
Ja, ich freue mich natürlich auch, heute dabei zu sein. Ein ganz interessantes Thema auf jeden Fall. Ich bin ja jetzt seit fast genau neun Jahren bei Mandarin, war vorher an einer Hochschule in Rostock auch tätig, kenne also auch diese Spannungsfelder teilweise und bin quasi in diesem gesamten Bereich Studierenden-Marketing für Hochschulen auch unterwegs. Das heißt, wir unterstützen Hochschule, Schulen und Universitäten dabei, Kampagnen zu erstellen, das ganze Marketing aufzusetzen, auf den diversen Kanälen in der Kommunikation, in der konzeptionellen Phase, in der Ideen-Phase. Und da ist es dann aber natürlich auch immer so, dass es dann gegebenenfalls viele Interessenten auch gibt und das dann natürlich auch irgendwo zu Spannung gegebenenfalls führen kann, weil dann gegebenenfalls die passenden Kandidaten noch nicht ganz da sind. Und dann müssen wir natürlich auch gucken, okay, nur die Quantität, sage ich mal, ist es dann ja nicht. Wie können wir wirklich qualitativ oder besser qualifizierte potenzielle Studierende eben auch anziehen? Und dieses ganze Thema liegt dann in der Beratung für die Hochschulen und Universitäten dann eben auch bei uns.
Ina Teloudis
Michaela, sag mal, an welcher Stelle hast du in deiner Arbeit im Studierenden-Marketing überhaupt Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Studienberatung? Wie ist da die Zusammenarbeit bei euch?
Michaela Wurm
Also ganz ehrlich. Ich habe mit den Kolleginnen und Kollegen mehr Kontakt als mit den Kollegen, die ich hier im Dezernat Hochschulkommunikation habe. Also wir sitzen räumlich super eng beieinander und trennen Luftlinie 5 Meter. Wir sehen uns ganz etabliert in Jour fixen, in Austauschrunden und wir haben halt auch den persönlichen Kontakt, der ganz häufig zwischen Tür und Angel ist, aber auch sehr fest etabliert, routinierte Termine mit etablierten Tagesordnungen, Aufgabenlisten, die abgearbeitet werden. Also es ist sehr strukturiert. Zu dem Zeitpunkt, in dem wir uns jetzt befinden, in der Anfangszeit war das natürlich anders. Man musste sich finden, man musste Aufgabenbereiche abstecken, aber aktuell, wie gesagt, sehr, sehr eng und mehr als regelmäßig.
Ina Teloudis
Oliver, würdest du sagen, aus deiner Erfahrung – und du sprichst ja auch mit vielen anderen Studienberater;innen –, dass das so gängige, übliche Praxis ist –, dass das so eng ist, oder ist es eher oft nicht der Fall?
Oliver Claves
Das ist eher oft nicht der Fall, tatsächlich so. Es kommt auch immer darauf an, wo welche Aufgabe angesiedelt ist. Manchmal ist die Erstellung von Studieninformationen und auch die redaktionelle Betreuung der Webseite auch von allgemeiner Studienberatung dort angesiedelt. In anderen Hochschulen ist es das nicht. Und dann kommt es darauf an, wie gut die Zusammenarbeit ist. Michaela beschreibt ja etwas, was wirklich sehr sehr toll und gut ist und auch, ich glaube, eigentlich dringend notwendig ist, wenn die Zusammenarbeit und auch die räumliche Nähe der Austausch auch echt da ist, weil die Studienberatung Seismografen sind für bestimmte Dinge, zum Beispiel für die Befindlichkeiten von Studieninteressierten und Studierenden. Wo läuft es gut? Wo läuft es nicht gut? Welche Informationen werden gut angenommen oder auch falsch verstanden? Da bieten zum Beispiel auch die Clearing-Stellen, die so Hotlines und so weiter, die der Erstkontakt oft darstellen, sehr, sehr wertvolle Informationen. Wenn bestimmte Themen immer wieder aufpoppen, dann muss man sich fragen: Haben wir dort die Informationen gut dargestellt oder produzieren wir da Missverständnisse? Und diese Bedarfe von der Zielgruppe, Die kann man am besten dort einsammeln, wo man halt ist. Und das sind die Kommunikationsstellen in der Regel nicht, sondern tatsächlich die Studienberatung, diejenigen, die auf Messen sind, und die in den Hotlines arbeiten.
Michaela Wurm
Genau, ich würde das gerne kurz ergänzen. Ich glaube, dass aber auch gerade diese Anwendung, die bei mir besteht, an das Dezernat Hochschulkommunikation, sehr wichtig ist. Wir betreiben hier vor allem die großen Social-Media-Kanäle, wo auch super viel Feedback von Studieninteressierten und Studierenden reinkommt, gerade aus dem internationalen Bereich. Da ist es, glaube ich, häufiger Usus, dass man schnell mal eine Instagram-Nachricht oder eine Facebook-Nachricht oder Ähnliches schreibt, sodass wir das dann auch wiederum immer in die Teams der Beratung geben können und sagen: Guck mal hier, gerade ganz aktuell super viele Nachfragen zum Thema XY. Ist das bei euch genauso? Falls ja, wie können wir das auffangen? Was können wir tun? Dass das einfach gut auf unseren Seiten zu finden ist und dass die Nachfragen an der Stelle dann geringer werden. Also auch hier gibt es Kanäle, die genau diese Zielgruppen betreffen und wo wir dann in den Austausch treten können.
Patricia Hennings
Ich wollte da noch mal jetzt kurz nachfragen. Und zwar, seid ihr jetzt auch drauf eingegangen, dass es jetzt schon sehr, sehr gut auch läuft, oder? Michaela, bei euch. Und du hast gesagt, ich glaube, du bist ja ungefähr seit zwölf Jahren jetzt an der Uni. Gab es auch eine Zeit, wo es vielleicht mal geruckelt hat und was habt ihr dann getan?
Michaela Wurm
Also ganz klar, es war am Anfang gar nicht so. Es war eine Stimmung, die erst mal, möchte ich mal sagen, nicht so rosig war, als ich hier angefangen habe und ich finde, es lag vor allen Dingen daran, dass nicht klar war, wer welche Aufgabenbereiche hat, sondern es wurde einfach jetzt eine Person eingestellt und die sollte jetzt das Marketing machen und es war gar nicht klar, was ist denn Marketing? Was ist Studienberatung? Wo sind Schnittstellen und wo kommt man gut zusammen? Und ich glaube, das ist so der allererste Schritt, den man gehen muss. Man muss sich bitte zusammensetzen, alle Beteiligten, und man muss darüber sprechen: Was ist mein Grundverständnis meiner Arbeit? Was ist das Grundverständnis der Arbeit gegenüber? Und wo sind die Dinge, wo wir jetzt gut zusammenarbeiten können? Was sind Schnittstellen? Und wo wollen wir auch gemeinsam dran arbeiten? Und dann auch wirklich mal ganz konkret ein kleines Projekt sich raussuchen. Wir haben ja gerade schon über die Studiengangsinfo-Seiten beispielsweise gesprochen. Das ist so ein Klassiker. Das hat jede Hochschule in schriftlicher Form und das ist, finde ich, so ein Projekt, wo man sich genau mal dann an dem abarbeiten kann und jeder kann sozusagen seine Expertise einbringen. Und das ist, glaube ich, so ein guter Start, mal zu schauen, Was bringt ihr mit? Was bringe ich mit? Und wie können wir da gewinnbringend zusammenarbeiten?
Patricia Hennings
Ja, voll gut. Und dann wahrscheinlich auch, so wie du gesagt hast, einfach regelmäßige Termine zusammen, einen aktuellen Status. Ich fand das eben auch ein total gutes Beispiel, wenn es viele Social Media Anfragen zu bestimmten Themen gibt, dass man sich dann eben auch wieder sehr eng miteinander austauscht und guckt, okay, wie können wir da jetzt auch bestmöglich direkt drauf antworten, bevor das irgendwie ins große Ganze geht?
Michaela Wurm
Ja, und ich glaube, es braucht Vertrauen beiderseitig und es muss ganz klar sein, ich werde niemals als Studierenden-Marketing-Referentin oder wie auch immer meine Berufsbezeichnung ist, Studierenden-Beratung machen. Also das ist so ein klassisches Beispiel, wo, finde ich, Kompetenzen super zusammenarbeiten können, sind Messen. Also ich würde immer für mich als Aufgabe sehen zu schauen, wie sollte so ein Stand aussehen, wie sollen Materialien aufbereitet sein, dass man einen guten ersten Gesamteindruck bekommt. Aber meine Aufgabe des Marketings wird nie sein, vor Ort am Stand zu sein und auf Fragen von Ratsuchenden eine Antwort haben zu wollen. Also das liegt nicht in meinem Kompetenzbereich, möchte ich mir überhaupt nicht aneignen. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch den Kollegen aus der Studienberatung nicht die Verantwortung dafür auflasten, dass die so einen Stand ausstatten müssen. Das ist sozusagen nicht ihr Geschäft und das sind genau auch so Aufgaben, wo man mal schauen kann, wie kann man gut zusammenarbeiten. Oliver, ist das vielleicht auch für euch so ein Bereich, wo es genau so eine Schnittstelle geht von Studierenden-Marketing und Studienberatung, so das Messegeschäft oder ist das für euch gar nicht von Bedeutung?
Oliver Claves
Das Messegeschäft machen wir tatsächlich selber, ja. Wir gucken auch, wie der Stand ausgestattet ist, wobei wir können auf den Stand der Stabstelle Kommunikation und Marketing zurückgreifen. Wichtiger ist aber das Material, weil das ist nicht nur Informationsmaterial für die Zielgruppe, sondern das ist auch unser Arbeitsmaterial, weil wir anhand des Informationsmaterials Dinge besprechen oder thematisieren. Und wir müssen damit arbeiten können. Im Prinzip betrifft das auch die Webseite. Wenn jemand bei uns in der Beratung sitzt, zeigen wir denen die Webseite oder auch nicht, wenn sie nicht funktional ist, also wenn es nicht funktioniert oder wenn Dinge nicht aktuell sind. Es ist immer ein bisschen peinlich, wenn man dann irgendwie auf der Webseite sagt: und hier? oh nein, das ist ein alter Stand”. So was dürfte zum Beispiel nicht passieren. Aber es ist sehr, sehr gut, wenn man da sehr, sehr eng miteinander arbeitet, weil da auch gleich deutlich wird, dass Studienberatung auch zur Qualitätssicherung da ist, weil uns im täglichen Geschäft dann halt auffällt, wenn Informationen mal nicht ganz aktuell oder nicht ganz verständlich sind. Das heißt aber nicht, dass wir sie dann auch erstellen müssen, sondern dass man da einfach sehr gut zusammenarbeiten kann, dass es passt. Ja, da kann man sich die Bälle zu schmeißen.
Michaela Wurm
Aber ich finde das spannend, dass du gerade sagst, so auch zum Beispiel: Webseiten sind eure Arbeitsgrundlage.” Auch diese Diskussion haben wir hier lange geführt, weil als ich angefangen habe, hatten wir sehr, sehr, sehr umfassende Webseiten rund unser Studienangebot. Man muss dazu sagen, wir haben aktuell fast 200 Studiengänge und es ist halt eine Mammutaufgabe, die auf dem Stand der Dinge zu halten. Das ist eigentlich für niemanden sozusagen leistbar. Und auch da mussten wir ins Gespräch gehen und schauen: Guckt mal hier, was sind Infos, die die Zielgruppe betreffen? Was sind die Sachen, die die suchen? Wie müssen die dann auch bearbeitet sein? Und wie können wir auf der anderen Seite sicherstellen, dass wenn BeraterInnen unterwegs sind, auch die Infos in dem Umfang, wie sie sie benötigen, sozusagen bereitstellen? Und das ist echt ein schmaler Grad, weil gerade bei diesem Umfang der Studienangebote und ich denke, das wird in Kassel oder in anderen Hochschulen ähnlich sein. Also wie soll eine Berater eine Beraterin sicherstellen für 200 Studiengänge oder noch mehr sprechfähig zu sein? Das ist eigentlich Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, möchte ich behaupten.
Oliver Claves
Wäre schön, wenn man das könnte, aber dann müsste man die Stellen anders aufbauen. Wenn Studienberaterinnen selbst für die Information auch verantwortlich sind, dann müssen sie auch immer nachgucken, was ist denn gerade aktuell? Und so weiter und so fort. Das heißt, dann wären sie automatisch auf dem Stand der Dinge. Wenn Studienberaterinnen das halt nicht mehr machen, dann kriegen sie bestimmte Veränderungen unter Umständen nicht mit. Das heißt, nur weil das im Internet geändert wurde, ist das nicht bei den Studienberaterinnen angekommen. Das heißt, hier merkt man, dass dieses Informationsmanagement nicht so ganz easy ist. Man muss die Informationen an den verschiedenen Stellen einholen. Das sind sehr, sehr viele verschiedene Stellen an einer Hochschule. Das sind die Fachbereiche oder Fakultäten, das sind Studierendensekretariat und so weiter und so fort. Manchmal auch schon weit, bevor sie gültig sind, nämlich wenn ein Studiengang neu entwickelt wird. Das heißt, auch da muss man schon wissen: Aha, da kommt was und die möchten gern, dass zum nächsten Wintersemester dieser Studiengang beworben wird. Und dann muss man ein Jahr vorher darüber Bescheid wissen. Das ist wiederum im Fachbereich manchmal nicht so ganz deutlich. Und dann muss man die Informationen in die ganzen Kanäle und zu den ganzen Personen wieder ausspielen, die es brauchen. Und da sind Studienberatungen natürlich auch eine Zielgruppe für die Informierung.
Patricia Hennings
Wie ist denn das insgesamt, dieses ganze Thema, was ihr jetzt gerade gesagt habt, Produktmarketing? Bei wem liegt das denn und wie ist es denn, wenn jetzt ein neuer Studiengang zum Beispiel auch kommen soll? Wann werden welche Dienstleistungen, sage ich mal, oder auch welche Projektgruppen dann auch mit reingeholt?
Michaela Wurm
Das muss ich versuchen, sehr diplomatisch zu antworten. Also mein Marketingbegriff ist ein Weiter, der sagt, Marketing bezieht sich auch auf Produktentwicklung und ich denke, dass wir da auch von Seiten des Studierenden-Marketings genauso wie von der Studienberatung wertvolle Impulse liefern könnten in der Produktentwicklung, wenn man uns mal fragen würde. Das ist eher weniger der Fall. Das heißt, eigentlich der klassische Fall ist genau der: Bewerbungsschluss Wintersemester. Ach ja, wir haben da noch einen Studiengang. Ach, wir haben völlig vergessen, alle relevanten Stakeholder innerhalb der Hochschule zu informieren, aber ihr müsst jetzt bitte die externe Zielgruppe informieren, dass wir möglichst viele Neueinschreibungen bekommen”. Und dann ist das Kind in den Brunnen gefallen und ist es vor allen Dingen deswegen auch häufig in den Brunnen gefallen, weil Studiengangsnamen gewählt werden, die fancy, schmatzig klingen, aber nichts mit der Realität zu tun haben und die in keiner Studiengangsdatenbank zu finden sind. Und alleine solche kleinen Drehschrauben irgendwie mitgestalten zu können, hätte, glaube ich, einen größeren Mehrwert. Wir versuchen, Prozesse zu etablieren, dass mit genügend Vorlauf alle relevanten Stakeholder an dieser Hochschule an diesen Prozessen beteiligt sein sollten. Die Betonung liegt auf sein sollten. Ich weiß nicht, Oliver, vielleicht sieht das bei euch anders aus. Ich habe wenig Hoffnung.
Oliver Claves
Das sieht an allen Hochschulen ähnlich aus, glaube ich, weil das ein irrsinnig komplexes Ding ist. Also wenn man Menschen fragt, was sie unter Marketing verstehen, dann ist das oft einfach Werbung. Also Kreativität, Storytelling, macht was draus. Das ist für alle Beteiligten, glaube ich, nicht so ganz hilfreich, dieser sehr verkürzte Begriff oder das verkürzte Verständnis, weil man dementsprechend ja auch beauftragt wird von der Hochschulleitung: Mach mal ein bisschen Werbung” und Ihr macht mal ein bisschen Informationen und Beratung und dann läuft das schon.” Aber das Marketing eigentlich auch die gesamte Hochschule betrifft, mehrere Bereiche. Das bleibt zu kurz. Oft orientieren sich Leute an diesem AIDA-Modell, dieses Attention, Interesst, Desire und Action, wo es dann darum geht, Aufmerksamkeit zu erregen, das Interesse zu wecken, was man dann eher den Pressestellen zuschreibt. Das können die ganz gut. Und dann kommt es dann zum Besitzwunsch auslösen, so hieß es, oder bei uns dann Intensionen formen und dann die Leute zur Immatrikulation zu bringen. Das ist ein sehr, sehr verkürztes Verständnis von Marketing und ist ja auch eigentlich eher so ein Werbewirkungsprinzip, was aus dem vorherigen Jahrhundert auch stammt, aber heute auch wirklich sehr prägend ist überall und kommt rein aus der Absatzwirtschaft. Das heißt, wie vermarkte ich mein Produkt, was besteht? Und das schließt ganz, ganz, ganz, ganz viele relevante Sachen aus. Nämlich zum einen, und das ist dann unser Spielfeld der Studienberatung, dass die Entscheidung für einen Studiengang nicht in einem singulären Moment stattfindet, wo ich: Oh, jetzt treffe ich eine Entscheidung”, dann bleibe ich dabei, sondern, dass der Orientierungsprozess sehr, sehr lang ist. Der beginnt schon in der Schule. Und wenn man das nicht auf dem Schirm hat, dann nimmt man eigentlich nur einen sehr, sehr kurzen Zeitraum auch in den Blick, wo man tatsächlich in Anführungszeichen Werbung betreibt. Und da muss man schon irrsinnigen Aufwand tun, da wirklich einen Effekt zu haben. Und andere Sachen kommen dann wirklich auch aus dem Blick, wie zum Beispiel Dienstleistungen. Also Service ist auch ein wichtiger Bereich von Marketing. Also wie präsentiert sich eine Hochschule, wie geht sie auf die Zielgruppen zu? Wie versorgt sie die auch und wie ist sie ansprechbar? Und das ist auch ein Feld von Studienberatung, wo natürlich auch das Marketing auch in anderer Form unterstützen kann und begleiten kann. Aber auch, wie sieht das Produkt dann halt auch aus? Und das ist bei Studienberatung oft genauso, dass man ein Produkt vorgesetzt bekommt, zu dem man beraten soll und dann sagt man sich, da kann ich eigentlich nicht wirklich immer zuraten, wobei wir auch gar nicht beraten, sondern bei der Entscheidungsfindung helfen.
Michaela Wurm
Ich würde diese Aspekte, die du zum AIDA-Modell hast, unterstützen. Ich glaube aber trotzdem, dass das AIDA-Modell in seiner Form, wie es besteht, hilft, erste Annäherungen zwischen Studienberatung und Studierenden-Marketing zu finden, weil es ein Modell ist, an dem man sich abarbeiten kann und Spielwiesen festlegen kann und genau die Dinge, wo es dann spannend wird, wo es zu Überschneidungen führt, auch wie zum Beispiel das Messegeschäft oder Ähnliches irgendwie definieren kann. Uns hat das immer geholfen, ins Gespräch zu kommen, dass manche Dinge sozusagen auf der einen oder der anderen Seite liegen im Aufgabenbereich und genau diese Schnittstellen dann die sind und da es sich lohnt länger dran zu arbeiten. Deswegen, wie gesagt, ich kann deine Bedenken oder deine Äußerungen dazu gut nachvollziehen, würde aber trotzdem raten, da mal einen Blick drauf zu werfen, gerade wenn man noch in dieser Findungsphase ist, wer hat welches Spielfeld zu bedienen. Das kann helfen.
Oliver Claves
Das kann helfen, kann aber auch tatsächlich verschrecken, weil dieses AIDA-Modell auch gleichzeitig die unterschiedlichen Perspektiven aufmachen. Ich habe ja gesagt, dieses Desire, diesen Besitzwunsch auslösen, Intensionen formen, das ist überhaupt nicht Aufgabe von Studienberatungen und ich weiß auch nicht, ob es wirklich Aufgabe von Hochschulen ist. Studienberatungen sind immer klientenzentriert und ergebnisoffen und da würde so Intensionen formen nicht so passen. Deswegen ist dieses AIDA-Modell schon schwierig für Studienberatung, wenn man so auf Studienberatung zukommt und sagt: Hier haben wir ein tolles Modell und so müssen das gehen, weil es a) sehr verkürzt ist und b) weil es immer dieses, wir müssen einen Besitzwunsch auslösen, ist. Es ist auch, glaube ich, nicht immer so ganz hilfreich, weil dieses Modell sehr gut passt, wenn es um Konsumgüter geht. Also ich möchte was oder ich soll was kaufen, was ich eigentlich nicht so wirklich brauche, was meinen Alltag irgendwie erleichtert oder lecker macht. Und da ist eine emotionale Ansprache auch sehr, sehr wichtig und hilfreich. Aber wir verkaufen ja im Prinzip Zukunftschancen. Das ist ein Investitionsgut und da gehen Studieninteressierte ganz anders mit als jetzt, wenn ich mir einen Kaugummi kaufe und sage: Ach, das kann ich mal eben mitnehmen und wenn es nicht schmeckt, spucke ich es wieder aus.” Nein, ich entscheide mich tatsächlich für eine Zukunftsperspektive. Und da muss man, glaube ich, auch wissen, dass diese Entscheidung in einer Lebensphase passiert, wo ich auch meine Identität forme und mit der Wahl einer Zukunft auch Identitätsarbeit betreibe und in dieser Zielgruppe die Angst sehr, sehr groß ist, eben keine attraktive Identität zu haben oder keine guten Zukunftschancen zu haben. Also die Angst bei den Studieninteressierten ist sehr, sehr groß, durch eine Fehlentscheidung langfristige Nachteile für ihr Leben zu haben. Und deswegen ist ein sensibler Umgang damit sehr, sehr wichtig.
Michaela Wurm
Auch da würde ich sagen, kann ich auch total mitgehen. Ich finde, jetzt zeigt sich hier so ein bisschen eine Frage von Charakter und sozusagen Selbstdefinition von Menschen, in Marketing und Studienberatung. Unser Wunsch im Marketing ist ja häufig, Dinge vereinfachen, Dinge zusammenzufassen, irgendwie zum Beispiel auch mit diesen Personas zu arbeiten und diese Dinge und auf der anderen Seite total verständlich, Studienberatung immer den weiten Blick, immer sehr inklusiv denken. Und das sind genau die Dinge, wo es dann spannend wird, wenn wir zusammenkommen.
Ina Teloudis
Vielleicht kann man ja das D bei AIDA auch einfach in Anführungszeichen setzen und dann ist es das schon. Also ich kann das auch total nachvollziehen.
Patricia Hennings
Ja, absolut. Ich finde, es ist dieser Begeisterungsfaktor. Ich finde, dieses Desire ist halt einfach, die Leute zu begeistern. Im Endeffekt sind es genau die Punkte, die ihr jetzt auch schon zusammengetragen habt. Also diejenigen haben ein bestimmtes Interesse oder sie haben erstmal eine gewisse Aufmerksamkeit, dann haben sie ein bestimmtes Interesse und dann müssen wir ja versuchen, sie zu begeistern. Und wie begeistern wir sie? Indem wir ihnen einfach Orientierung geben, indem wir auf ihre offenen Fragen antworten. Und da gibt es ja so viele verschiedene Möglichkeiten, die wir jetzt hier auch schon teilweise so genannt haben, sie dann auch einfach für eine bestimmte Universität, Hochschule zu begeistern. Und dann, finde ich, Oliver, ist das genau das, was du gesagt hast. Es ist halt einfach, wenn wir das jetzt wirklich klassisch im Sinne von Produktmarketing denken, dann ist es natürlich zu kurz gefasst, weil weiß ich nicht, wenn ich jetzt an ein bestimmtes Produkt denke, da habe ich vielleicht heute, entscheide ich mich, dann kaufe ich das und morgen wird es gegebenenfalls schon geliefert. Diese Orientierungsphase ist ja hier, so wie du sagst, über Jahre und da immer wieder auch in den Kontext zu treten, ist natürlich total wichtig. Und ich glaube, das kann schon einfach ein guter Funnel, sage ich mal, sein, den man sich dann eben auch anschaut und auch guckt, in welchen Phasen dieser Orientierung steckt jemand gerade, und sie dann einfach auch in den Phasen zu begeistern und am besten dann natürlich auch für die entsprechende Hochschule, Universität dann auch umzuwandeln.
Oliver Claves
Ich würde, dass D von Desire, glaube ich, nicht zu einem B für begeistern machen, sondern zu einem E für ermutigen. Ich glaube, das passt noch mehr. Es ist sehr, sehr ähnlich, weil begeistern könnte auch dazu führen, dass sie sehr begeistert sind und dann in ein Studium reinkommen und feststellen, oh, das ist ganz, ganz anders, weil ich zu hohe Erwartungen habe. Und das ist ein großes Problem tatsächlich, dass man, ich sage mal, im dritten Semester taucht so ein Loch auf, wo man dann angekommen ist und feststellt, es ist gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Also falsche Erwartungen sind ein Problem für uns. Aber ermutigen, empowern, das ist auch Aufgabe von Studienberatungen, ist ganz, ganz gut. Und du hattest das auch vorhin gesagt, dass das ein ganz, ganz langer Prozess ist und da stecken genau die Chancen drin. Wenn wir sehr früh einen Beziehungsaufbau machen mit Schüler:innen und denen sagen: Hey, Uni ist jetzt nicht so ein großes Ding, wo so Professoren drin sind, Alma Marta, ganz groß und mächtige Säulen, sondern das sind Menschen, die mit dir arbeiten. Und du hast Möglichkeiten, Fragen zu stellen. Du darfst auch Hilfe in Anspruch nehmen und die gibt es auch und so weiter. Und du darfst auch mal irgendwo scheitern und darfst auch wieder aufstehen. Wir helfen dir dabei. Also wir ermutigen dich, durch das Studium zu kommen und wir ermutigen dich, ein Studium zu wählen, das wirklich zu dir passt. Dann ist es gut. Und ich glaube, genau in diesen Punkt Desire, und wenn man das ein bisschen dreht und sagt nicht, wir wollen etwas verkaufen, sondern wir wollen, dass die Passung stimmt. Das ist ja auch für eine Hochschule gut, wenn wir Leute einfach übertölpeln und sagen: Komm rein, wir brauchen dich und jetzt bist du drin, jetzt bist du uns egal, sondern wenn wir sagen, wir möchten die passenden Studierenden haben. Und das heißt nicht unbedingt, dass es der Wettlauf um die klugen Köpfe ist, weil, wir zumindest sind eine staatliche Hochschule, wir müssen alle nehmen, die die Zulassungsvoraussetzung erfüllen. Und das tun wir auch sehr, sehr gerne, weil wir einen Bildungsauftrag haben. Wir sind halt keine Industrie, die sich dadurch finanziert, dass sie Produkte verkauft.
Michaela Wurm
Genau. Und ich würde dann gerne auch den Begriff von Studierenden-Marketing in diesem Sinne noch erweitern. Also das eine ist dann, wenn man es ganz genau nimmt, eigentlich Studierenden-Interessierten-Marketing. Und beim Studierenden-Marketing, finde ich, kommt dann die Zielgruppe der Studierenden noch viel stärker ins Gewicht, weil uns schon auch wichtig ist, dass die Leute hier erfolgreich und gerne studieren und das dann halt auch weitertragen. Und genau, wenn es dann zu diesen Buchstellen kommt, jemand zweifelt, jemand hat Prüfungsängste oder all diese Dinge, gibt es ganz großartige Beratungs-und Unterstützungsangebote. Und ich würde meinen Job dann wieder genau so verstehen, dass ich genau das dann auch wieder kommuniziere an die Zielgruppe, dass sie das in dem Moment, wo sie es braucht, dann benutzt und weiß, wo die richtige Anlaufstelle ist, sodass es nicht nur darum geht, Studieninteressierte anzusprechen, sondern auch die Studierenden hier vor Ort sind, gut zu betreuen.
Oliver Claves
Da kann ich anschließen. Alumni-arbeit ist super wichtig, weil wenn man Alumni hat, die wiederkommen, die sich verbunden fühlen, und das sind halt nicht nur Lehrkräfte, die auch mal irgendwie was sagen zu Praktikumsmöglichkeiten oder so weiter oder einfach stolz darauf sind, an der Hochschule gewesen zu sein, das trägt irrsinnig weit und das kostet jetzt nicht so wirklich viel, sage ich mal. Und ich glaube, das macht auch mehr Spaß, mit Leuten zu arbeiten, die in der Hochschule sind, das stärkt so das Wir-Gefühl. Und so ein Wir-Gefühl ist, glaube ich, total wichtig. Und dass da Studieninteressierte dann sagen: Ja, da möchte ich auch zu gehören. Ich möchte an diesem Wir-Gefühl teilhaben. Das ist extrem wichtig.
Ina Teloudis
Ein Gedanke, den ich eingangs hatte: Einerseits ist ja das, was du im Tagesgeschäft machst, mich ja immer sehr datengetrieben. Du guckst dir an: Wo kommen die jetzt rein? Wo passiert nichts? Was interessiert irgendwie keinen? Mensch, jetzt hat Meta das Bild schon wieder rausgeschmissen. Dabei fanden wir das alle so schön. Und dann kommt diese weiche Zahl, vielleicht aus der Studienberatung, und ich sage: Mensch, mein Gefühl, sagt mir, da haben jetzt schon zehn Leute zu angerufen oder 20. Wie passt das zusammen mit der Messbare Zahlen-Welt? Gibt es da einen Weg oder ist das einfach nur so, dass du sagst, okay, das ist ein Bauchgefühl, das ich gerne mitnehme? Wie funktioniert das?
Michaela Wurm
Ja, also ich glaube, wovon wir uns alle freimachen müssen, ist, wir sind alle nicht Zielgruppe. Also wir sind alle im Prinzip 20, 30 Jahre zu alt. Oliver sehe ich jetzt leider nicht, aber da würde ich vielleicht auch behaupten, dass er vielleicht fünf Jahre zu alt ist für den klassischen Studienanfänger. Und ganz ehrlich, diese Beobachtungen aus der zentralen Studienberatung aus allen Beratungskontexten sind total wichtig und richtig. Und oft sind es kleine Stellschrauben, an denen man was drehen kann. Und das ist zum Beispiel … Bildsprache ist bei uns so ein Thema, wo wir immer wieder sozusagen in den Dialog gehen und sagen: Warum ist es uns wichtig, Menschen zum Beispiel zu zeigen, die eine körperliche Behinderung haben? Und warum möchten wir auch, dass diese Menschen bei uns in der Bildsprache irgendwie ihren Platz finden. Aber es ist natürlich schon auch so, dass ich mit den Ressourcen, die ich habe, in eine Richtung von Masse gehen muss. Also ich muss möglichst viele Interessierte erst mal darauf aufmerksam machen, dass es uns gibt, unser Beratungs-und Informationsangebot, und es ist schwierig, da jede Nischen Zielgruppe zu bedienen. Es ist ein Prozess, den wir aushandeln und es gibt auch da Wellen, wo Dinge mal oder Zielgruppen wichtiger sind und weniger wichtig, aber am Ende des Tages wird da, glaube ich, immer ein Rest Unzufriedenheit bleiben.
Ina Teloudis
Der größte gemeinsame Nenner muss dann irgendwie gefunden werden, oder?
Michaela Wurm
Ja, aber ich sage jetzt zum Beispiel mal so: Studium mit Beeinträchtigen, Studium mit Kehrverpflichtungen, das sind Themen, die und treiben uns umher und die sind richtig und Aber am Ende des Tages ist das eine Zielgruppe, die jetzt nicht 100% ausmacht, im Gegensatz zum klassischen Abiturienten.
Ina Teloudis
Das ist wirklich ein spannendes Feld, weil diese Themen, die du gerade ansprichst, oder auch familienfreundliche Uni oder Hochschule, das betrifft natürlich nur einen ganz kleinen Prozentsatz. Aber finden alle anderen das nicht trotzdem toll, wenn der Standort divers ist und sich um Studierende mit Kindern kümmert?
Oliver Claves
Also in diesen Zeiten weiß man es nicht so ganz, weil es darf nicht zu woke sein, vielleicht. Also da muss man vielleicht auch aufpassen, ob wir als AkademikerInnen dann nicht auch einen Blick haben, der an vielen vorbei geht. Aber ansonsten, dadurch, dass da jemand mitspielt, der ein Handicap hat, dann traut man sich mit einem vielleicht auch nicht sichtbaren Handicap wie LRS oder ADHS, was gerade bei uns aufpoppt in der Studienberatung, also ADHS insbesondere, dass man sich dann doch traut und dass man sich dann auch traut zu sagen: Okay, ich bin nicht der Standard Studieninteressierte. Wobei, und das ist auch spannend, der Abiturient erscheint uns immer als der Standard Studierende. Das ist er aber gar nicht, weil die meisten Abiturienten sagen erst mal: Bah, nach der Schule bin ich mal ein Jahr weg. Eine interessante Zielgruppe sind Leute, die eine Ausbildung gemacht haben, auch ein bisschen reifer ins Studium gehen und dann mit einem erweiterten Kompetenzprofil dann auch spannend sind, auch später nach dem Studium. Und das ist ein großes Potenzial auch zu heben, zu sagen: Pass mal auf, du bist zwar nicht der Abiturient, sondern du hast eine Ausbildung abgeschlossen. Na, willst du dich weiterentwickeln? Willst du noch eins draufsetzen?
Michaela Wurm
Absolut richtig. Es ist natürlich im Marketing dann die Herausforderung: Wie kriege ich genau diese Leute? Ab der Mittelstufe gibt es Studien- und Berufsorientierung. Das heißt, wir sind mit dieser Zielgruppe super gut in Kontakt, einfach weil das sozusagen strukturell gewollt ist. Und diese anderen Zielgruppen zu erreichen, das ist wirklich eine Herausforderung. Und das wird uns immer mehr beschäftigen, weil diese Zielgruppen für uns immer interessanter werden.
Patricia Hennings
Genau. Im Endeffekt ist es ja genau die Verzahnung, die Oliver auch gerade gesagt hat. Es kommen immer mehr Impulse, es kommen immer mehr Interessenten, dann auch wahrscheinlich bei der Studienberatung eben rein. Und so wie Michaela, wie du zu Beginn gesagt hast, ist da eben wieder die Verzahnung sehr wichtig, zu gucken, Okay, welche Themen sind das jetzt? Wo können wir auf offene Fragen schon vielleicht im Vornherein sehr, sehr gut antworten im Bereich Social Media, auf unserer Website, in den FAQs, in sämtlichen Touchpoints, die es da so gibt. Und auch wieder da eigentlich ein Paradebeispiel, dass beide super zusammenarbeiten müssen, weil das eine geht dann eben auch nicht ohne das andere.
Oliver Claves
Ja, und ich möchte das noch erweitern, weil sowohl die Kommunikationsabteilung als auch die Studienberatung, die sind ja nicht alleine im Geflecht. Und letztendlich ist die der Hochschulleitung da auch mit ins Boot zu holen, als auch die Politik, weil dieser Druck, dass man einfach den Laden vollmacht, der kommt ja nicht, weil die Studienberatung sagt, das ist toll, oder weil das die Hochschulkommunikation so gut findet, sondern da stecken einfach die Bedürfnisse der Hochschule drin, dass man halt ausfinanziert wird. Und wenn der Wettbewerb so gestaltet wird, dass sich alle auf die einfache Beute werfen, nämlich die Abiturienten, dann ist das, glaube ich, eine Fehlsteuerung, weil Aufgabe der Hochschulen ist, quasi ein Bildungsangebot zu machen für alle, die es betrifft. Also wir haben dazu den staatlichen Auftrag eigentlich. Und durch diese Begrenzung oder durch diese Fehlsteuerung in der Finanzierung ist man dann darauf angewiesen, zu sagen: Ja, okay, wir müssen jetzt den Laden voll machen, aber das ist ja nicht der Zweck von Hochschulen.
Michaela Wurm
Genau, und gerade bei diesem Bildungsangebot für alle würde ich gerne noch mal nachhaken. Auch da irgendwie Finde ich ein strukturelles Problem: Wie sieht es beispielsweise mit Teilzeit Studiengängen aus? Also ich finde, das ist für viele Hochschulen einfach noch so eine offene Frage: Wie gehen wir damit um, wenn wir hier Menschen durch ein Studium bringen wollen, die im Berufsleben stehen und sagen: Aber ich möchte den nächsten Schritt gehen. Wie kann ich das mit eurer Unterstützung machen? Und ich finde, da gibt es noch ein paar Fragezeichen, die wir beantworten müssten. Und da muss man auch sagen, da ist der private Markt viel, viel weiter. Also da geht es gar nicht nur so online oder Präsenz Fragen, sondern wirklich auch: Wie kriege ich Menschen betreut, die Teilzeit nur an dieser Hochschule anwesend sein können? Und das sind, finde ich, auch so Impulse, die das Marketing geben kann, indem wir uns schon auch den Markt mal anschauen, gerade den privaten Sektor, der wirklich in vielen Fragen auch gerne dieses Thema Service-Einrichtungen so viel weiter ist als wir.
Oliver Claves
Das ist ein wichtiger Punkt. Also wenn man eine Marktanalyse macht und guckt, wo sind die Wachstumsraten, dann sind die bei den privaten Hochschulen.
Ina Teloudis
Da kommt man dann an diesem Thema nicht vorbei, eigentlich an diesem berufsbegleitendes Studium.
Oliver Claves
Ja, auch das Thema dual studieren brennt ganz gut, aber da muss man tatsächlich auch noch mal gucken, was man denn will. Also was die Aufgabe des Staates ist. Ich glaube, dass Präsenzhochschulen schon sehr, sehr wichtig sind, weil das Lernen in Präsenz einfach – ich komme aus der Mediensoziologie – das ist einfach das erfolgreichste. Die Dropout-Quoten bei Fernstudiengängen sind exorbitant. Und weil es auch dazu gehört, eine Tagesstruktur zu haben, Ansprechpersonen zu haben, auch soziale Kontakte zu haben, vielleicht ein kulturelles Angebot zu haben. Und das sind alles Punkte, womit staatliche Hochschulen einfach auch glänzen können. Das andere ist, dass private Hochschulen sehr gutes Marketing machen, aber sie müssen auch viel mehr verkaufen. Und wenn ich da die Studiengänge und so weiter angucke, dann sieht man, dass sie sehr gut darin sind, Zukunftsperspektiven zu verkaufen, die aber nicht unbedingt passen müssen. Und da sind Studieninteressierte dann auch sehr anfällig, weil sie Angst haben, eine Fehlentscheidung zu begehen, weil der Druck hoch ist, dass sie jetzt ein Programm wählen oder einen Abschlussgrad wählen, der sie mit Sicherheit in einen guten Job bringt. Und diese Angst ist einfach – das hatte ich vorhin schon mal gesagt – sehr existenziell und sehr, sehr groß in der Zielgruppe. Und da muss man sie auch abholen, weil aus dieser Angst heraus werden Entscheidungen getroffen, die nicht unbedingt zwingend gut sind. Und das Verständnis von Studium ist dann auch ein falsches. Gerade bei den Universitäten, die ja sehr breit aufgestellt sind und auch sehr breit aufgestellte Studiengänge haben, werden eher Generalisten produziert. Wir verkaufen keine Abschlüsse, mit denen man auf dem Arbeitsmarkt super Chancen hat. Wir produzieren Menschen, die hochqualifiziert sind, bestimmte Tätigkeiten zu machen, aber in mehreren Berufsfeldern zum Beispiel auch. Das heißt, wenn jemand kommt und sagt: Aha, mit so einer Abschlussorientierung, ich studiere das, dann werde ich das, dann dümpeln die vielleicht auch durchs Studium, weil sie sagen: Ich habe ja die richtige Wahl getroffen. Ich weiß ja, was ich werde, und stehen dann später da und sagen: Oh, wusste ich doch nicht. Was kann ich denn noch alles werden? Also denen eine goldene Zukunft zu versprechen, führt dann teilweise dazu, dass die Studierenden orientierungslos durchs Studium gehen und vielleicht auch scheitern. Und wir müssen eher dazu hinkommen, zu sagen: Wir machen ein Bildungsangebot, das du aktiv gestalten kannst, sodass du dich kompetent machen kannst, in verschiedenen angrenzenden Arbeitsfeldern, die du noch gar nicht alle kennen kannst, dann dort auch einen Job zu finden. Also die Studierenden auch zu aktivieren. Und das muss man vorher machen. Und in der Studierendenberatung tatsächlich, ich würde sagen, 80% meiner Tätigkeiten gehen darum, die Leute von dieser Abschlussorientierung wegzubringen, hin zu einer Anschlussorientierung. Einmal, dass sie die Angst verlieren: Oh, ich muss hier jetzt eine Entscheidung treffen und wenn ich diesen Studiengang gewählt habe, steht er nachher auf meinem Grabstein und ich hoffe, das war die richtige Wahl. Dass sie sagen: Okay, ich gehe jetzt den nächsten Schritt und dieser Studiengang passt zu meinen Interessen und Fähigkeiten und Möglichkeiten. Das ist aber nicht die letzte Entscheidung. Es gibt noch ganz, ganz viele Entscheidungspunkte, wo ich steuern kann, sodass ich, wenn ich so eine Orientierungskompetenz entwickelt habe, in der Lage bin, dann auch auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, egal wie der sich verändert hat. Und das müsste die Kernaussage sein.
Ina Teloudis
Dann komme ich jetzt zu der Frage. Es ist keine schlimme Frage. Alle haben ja so ihr, man sagt- unter jedem Dach ein Ach. Ehrlich und ohne große Diplomatie, wessen Job ist jetzt schwieriger? Studierenden-Marketing oder Studienberatung?
Oliver Claves
Ich würde sagen, Studierenden-Marketing.
Michaela Wurm
Ich hätte das Gegenteil gesagt. Also ich muss sagen, ich persönlich wäre mit Studienberatung heillos überfordert, weil ich mir diese Einzelschicksale viel zu sehr annehmen würde. Das ist so mein persönliches Problem. Aber einfach Menschen bei einer Entscheidungsfindung zu unterstützen und sinnvoll zu begleiten, liegt außerhalb meines Kompetenzbereichs und ich finde das sehr herausfordernd. Und deswegen finde ich, ist das eine viel, viel anspruchsvollere Aufgabe als meine.
Oliver Claves
Da kann ich was gegensetzen. Eigentlich ist Beratung eine Haltungsfrage. Und zwar sind wir nicht die Experten für die Lösung. Wir sind die Experten für den Lösungsweg. Wenn Leute zu uns kommen, dann kommen sie deswegen, weil sie keine Antworten auf ihre Fragen haben. Das liegt oft daran, dass sie die falschen Fragen stellen. Also Fragen, die nicht hilfreich sind oder Erwartungen haben, die nicht hilfreich sind. Und genau das ist unser Job, zu sagen: Welche Fragen stellst du dir eigentlich? Welche Erwartungen hast du eigentlich und sind die eigentlich realistisch? Wobei, so stellen wir das halt auch nicht. Das heißt, wir bieten auch keine Studiengänge an und sagen: Der Studiengang passt zu dir. Dann müsste ich Verantwortung übernehmen über die Auswahl. Das kann ich überhaupt nicht, wenn ich nur eine Stunde Zeit habe, Leute zu befragen und zu gucken, was zu denen passt. Das geht gar nicht. Ich kann da natürlich einen Interessenstest machen. Ich kann auch über Fähigkeiten gucken und so weiter. Das tun wir auch. Wenn meine Aufgabe wäre, tatsächlich Studiengänge zu verkaufen oder eine Wahl zu treffen für diejenigen, dann wäre das sehr beängstigend und ich hätte richtig Stress. Allerdings ist es mit der entsprechenden Haltung des Nichtwissens auch und dem Glauben an diejenigen, die kommen, dass sie nun eine richtige Lösung für sich finden werden, vielleicht auch über Umweg, dann macht es sehr, sehr viel Spaß, die Leute zu begleiten. Und es ist auch relativ einfach, weil man einfach nur die richtigen Fragen stellen muss, dass die Leute dann dahin kommen, wo sie hin wollen.
Ina Teloudis
Wir hören, Oliver ist ein Handwerker. Lieber Oliver, liebe Michaela, vielen, vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt und auch ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert habt. Eine ganze Menge mitgenommen. Ich hoffe, das geht allen anderen auch so.
Oliver Claves
Ja, auf jeden Fall.
Michaela Wurm
Ich glaube, das ist aber auch der Rat wirklich an alle Beteiligten, die vielleicht jetzt wirklich von Spannungsfeldern oder Konflikten ausgehen. Redet miteinander. Also ich kann sagen, wir führen hier regelmäßige Kneipentouren durch. Auch so was hilft.
Oliver Claves
Man muss erst mal ins Gespräch kommen und erkennen, dass man unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliche Rahmenbedingungen hat und unterschiedliche Aufgaben hat und dann auch guckt, wer macht was und wie bindet man sie ein.
Ina Teloudis
Und das darf auch gerne in der Kneipe passieren, wie Michaela gerade sagte. Liebe Michaela, lieber Oliver, vielen, vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt, mal so ein bisschen einzutauchen mit uns ins Thema Zielkonflikte zwischen Studienberatung und Studierenden Marketing. Da haben wir doch eine ganze Menge Gemeinsamkeiten gefunden. Was nehmen wir denn jetzt mit aus der Folge, Trizi? Das sind so ein paar Sachen. AIDA ist natürlich hängen geblieben, aber du hast wahrscheinlich besser aufgepasst als ich.
Patricia Hennings
Ja, ich denke, was wir auf jeden Fall zu Beginn gesagt haben, ist diese ganz klare Aufgabenteilung und da schließt das AIDA-Prinzip ja an. Also ich fand das jetzt auch ein total wichtiger Diskurs, auch ein total guter Impuls: Wir streichen das D in AIDA und ersetzen das D das E und sagen, wir wollen diese Prozessphase potenzielle Studierende ermutigen. Ich glaube, das ist ein total wichtiger Impuls gewesen, auch diese gesamte Student-Journey einfach wirklich von A bis Z sehr gut auf dem Schirm zu haben. Dann dieser Impuls, eine Student Journey ist nicht innerhalb von einem Tag und auch gegebenenfalls nicht innerhalb eines Jahres, sondern Orientierung zu schaffen dauert eben extrem lange. Und das beginnt teilweise schon in der Grundschule, dass potenzielle Interessierte sich Gedanken machen, darüber, was will ich irgendwann mal werden? Und da ist es ganz doll wichtig, dass die Hochschule und Universitäten da natürlich eine gewisse Sichtbarkeit haben und auch eine Orientierung einfach schaffen. Deswegen das AIDA-Modell. Dann was Michaela sagte, diese klare Aufgabenteilung, sich gegebenenfalls das AIDA-Modell auch zu nehmen, zu schnappen und als einen Impuls zu sehen: Okay, wer macht jetzt was? Wirklich miteinander zu sprechen und nicht übereinander zu sprechen. Das ist extrem wichtig in der Aufgabenverteilung, aber auch im Diskurs einfach miteinander.
Und dann, glaube ich, auch dieser große Punkt: Was ist überhaupt Marketing? Also das auch nicht zu kurz denken, sondern auch zu schauen: Okay, welche Touchpoints gibt es im Marketing? In welchen Touchpoints ist es extrem wichtig, mit der Studienberatung auch zusammenzuarbeiten? Und wo kann es einfach in den verschiedenen Touchpoints Schnittstellen geben.
Ina Teloudis
Ja, ich hoffe, dass ihr, liebe Zuhörenden, das genauso sehen und auch eine ganze Menge mitnehmen konntet. Vielleicht auch für eure Hochschule, für eure Universität und für eure Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen. Das war Folge zwei von Inside Hochschulkommunikation, Powered by Bundesverband Hochschulkommunikation und Mandarin EDU. Und Feedback könnt ihr natürlich gerne loswerden. Schreibt uns. Alle Kontaktinfos findet ihr in den Shownotes.