Inside HKomm

Der Podcast – Folge 6

Wenn Wissenschaft Hass erfährt: Scicomm-Support im Einsatz

Ina Teloudis

Schön, dass ihr da seid. Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Inside Hochschulkommunikation, dem Podcast für alle, die Hochschul-und Wissenschaftskommunikation gestalten, weiterdenken und sich miteinander vernetzen wollen. Ich bin Ina, und  in unserer letzten Folge, mit dem Titel Markenbildung im Gegenwind ging es konkret um das Rebranding der Freien Uni Berlin. Hört gern mal rein, war ein tolles Gespräch mit Karin Bauer-Leppin von der FU Berlin. Und auch hier kam ein Thema auf, das immer mehr Hochschulangehörige, will ich mal sagen, betrifft,  Hass im Netz. Hier ging es den Gegenwind, den die Hochschule bekam. Und besonders in der Wissenschaftskommunikation ist das ja kein ganz unbekanntes Feld. Da sehen sich ja Forschende und KommunikatorInnen immer, immer mehr Anfeindungen auch ausgesetzt, im digitalen, aber auch im analogen Raum tatsächlich. Hier gibt es Unterstützung. Scicomm-Support ist eine bundesweite Anlaufstelle für alle, die in der Wissenschaftskommunikation mit Hassrede, Drohungen oder Konflikten konfrontiert sind. Und da spreche ich heute mit Julia Wandt, einer der Initiator:innen von Scicomm-Support, und Juliana Meyruhn, Social-Media-Managerin. Und beide werden uns ein bisschen mitnehmen und teilhaben lassen an den Erfahrungen, die sie gemacht haben mit dem Thema.

Schön, dass ihr da seid, auf jeden Fall digital zugeschaltet. Herzlich willkommen. Stellt euch doch bitte einmal kurz selber vor. Wer seid ihr? Woher kommt ihr? Was macht ihr im normalen Tagesgeschäft? Julia, fang doch mal an.

Julia Wandt

Ja, gerne. Ich bin seit 23 Jahren in der Hochschul-Wissenschafts Kommunikation unterwegs, habe lange an Universitäten gearbeitet, in Göttingen, Konstanz und Freiburg, zuletzt auch als Teil der Universitätsleitung, also war dort verantwortlich für den Bereich Wissenschaftskommunikation und Strategie auf Universitäts- Leitungsebene und bin jetzt so seit anderthalb Jahren in Berlin und berate Hochschulen und außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen in den Bereichen Kommunikation, Strategieentwicklung und wissenschaftliche Politikberatung. Während meiner Zeit an den Universitäten war ich auch Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation und in dem Zusammenhang hatten wir auch viel Einblick, was an anderen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen passiert. Wir haben so 2020, 2021 immer mehr Rückmeldungen auch bekommen von Kolleginnen, dass bei ihnen die Anfragen zunehmen in Bezug auf Unterstützung und Schutz von Wissenschaftler:innen, aber auch von sich selbst, aufgrund von Anfeindungen im Zusammenhang mit der Kommunikation zu wissenschaftlichen Themen. Als wir das dann auch noch so auf politischer Ebene in der FactoryWisskomm, das ist so eine Denkwerkstatt vom damaligen BF, jetzt BMFTR, auch immer wieder über das Thema gesprochen hatten, hatten wir dann seitens des Bundesverbands Social Communication gesagt: Lasst uns mal so eine Anlaufstelle initiieren. Lasst uns mal schauen, wie man das umsetzen könnte. Genau, das ist so mein Bezug zum Thema, aber da werden wir nachher gleich noch ausführlicher drüber sprechen.

Ina Teloudis

Ja, unbedingt. Juliana, magst du mal kurz erzählen, von wo du auf das Thema guckst?

Juliana Meyruhn

Ja, ich habe Kommunikationswissenschaften studiert und bin jetzt seit fast drei Jahren bei Mandarin als Social-Media-Managerin. Und dadurch, dass ich jeden Tag Social Media auf meinem Laptop öffne, haben wir natürlich damit auch schon Berührungspunkte gehabt. Und da verändert sich ja auch gefühlt täglich alles, wenn man auf die Situation in den USA blickt und, und, und. Das sind ja doch einige Sachen, die da auch bei Meta passieren. Darüber können wir nachher auch super gerne noch mal sprechen. Genau. Und wir haben auch Kunden, Hochschul-Kunden, wo wir auch das Community Management begleiten und auch da sind schon Dinge passiert, wo man erstmal gucken muss, wie geht man damit um? Und deswegen finde ich das interessant, dass der Scicomm- Support existiert und bin gespannt, was du heute zu erzählen hast.


Ina Teloudis

Julia, jetzt hast du ja gerade schon angerissen. 2020 - da ploppt natürlich sofort auf: Was war denn noch so 2020, 2021, ganz hoch am Kochen? Ist Corona so ein Verstärker des Problems gewesen? Gab es das Problem schon vorher? Oder war das so der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat? Wo man sagt: Okay, das ist jetzt einfach, das läuft aus dem Ruder, wir brauchen einen Plan?


Julia Wandt

Also, Anfeindungen in der Wissenschaft gab es auf jeden Fall schon viel, viel länger. Wenn wir an Wissenschaftler:innen denken, die mit Tierversuchen arbeiten, die wurden schon in den 80er Jahren ganz massiv angefeindet, bis hin dazu, dass ihre Kinder nur noch mit Polizeischutz in die Schule gehen konnten und so weiter. Es ist also kein neues Phänomen. Aber was wir durch die Corona-Pandemie gemerkt haben, ist, dass es einfach in der Weite der Öffentlichkeit mehr angekommen ist.   Also, es ist sozusagen sichtbarer geworden. Und natürlich sind auch dadurch noch mal Wissenschaftler:innen dazugekommen, die angefeindet wurden, nämlich einfach diejenigen, die im Bereich Virologie und allen anderen wichtigen, Soziologie, juristisches und so weiter, mit Bezug zur Corona-Pandemie gearbeitet haben. Man kann auf jeden Fall sagen, dass es eine Verstärkung gegeben hat in der Zeit, dass aber das Thema keinesfalls durch die Corona-Pandemie erst aufgekommen ist.


Ina Teloudis

Wenn du jetzt an die Anfangszeit zurück denkst von Scicomm-Support, was waren so die ersten Baustellen, die ihr hattet? Und wie war da der Werdegang?


Julia Wandt

Ja, wir haben auf jeden Fall erstmal inhaltlich konzeptionell gearbeitet und einfach uns mit Kolleginnen ausgetauscht. Wir hatten dann auch sehr schnell Wissenschaft im Dialog mit an Bord, also der Bundesverband Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog, die ja auch eine sehr bekannte und sehr öffentlich sichtbare Einrichtung sind für Wissenschaftskommunikation. Da haben wir dann auch einfach gemerkt, es gibt auch noch natürlich andere Stellen, die sich dafür interessieren. Und das ist jetzt nicht nur ein Thema, was bei Wissenschaftler:innen und wissenschaftlichen Einrichtungen aufgekommen ist, sondern in Bezug auf Wissenschaftskommunikation insgesamt. Und dann haben wir erst mal geschaut und wir haben relativ schnell gemerkt – und das war auch der Hintergrund für unsere Initiative –, dass das deutsche Wissenschaftssystem in dem Bereich einfach noch eine Leerstelle hatte. Natürlich haben auch damals schon die Kolleg:innen an den wissenschaftlichen Einrichtungen ganz toll auch unterstützt, ihre Mitglieder. Aber wir haben auch gemerkt, dass das nicht für alle zu leisten ist und nicht zu schaffen ist. Das heißt, wir haben geschaut, was braucht es an Unterstützung? Auf welchen inhaltlichen Ebenen braucht man Unterstützung? Wer braucht die Unterstützung? Genau, es sind nämlich nicht nur die Wissenschaftler:innen, die diese Unterstützung brauchen. Und wir haben uns auch andere Formate und Einrichtungen angeschaut, die ähnlich arbeiten, aber außerhalb der Wissenschaft, also zum Beispiel Anfeindungen gegenüber Politiker:innen und so weiter.

Das heißt, wir haben erst mal sehr viel inhaltlich konzeptionell gearbeitet.


Ina Teloudis

Wer sieht sich denn mit diesen Angriffen ausgesetzt? Du hast ja schon gesagt, nicht nur die Wissenschaftler:innen, sondern?

Julia Wandt

Also es sind auf jeden Fall auch Wissenschaftskommunikator:innen, nämlich diejenigen, die für ihre Einrichtungen kommunizieren, also die zum Beispiel auch institutionelle Accounts begleiten, betreuen. Die werden natürlich nicht als Privatperson oder auch nicht namentlich als Wissenschaftskommunikator:in in der Regel dann sichtbar, aber die müssen auch ganz massiv Anfeindungen aushalten, allein dadurch, dass sie diese institutionellen Kanäle begleiten und betreuen. Wenn wir jetzt zum Beispiel an die Hochschulen denken, die aufgrund der Israel-Palestina-Thematik auch besetzt worden sind oder die vor diesem Hintergrund aus unterschiedlichen Richtungen Anfeindungen, Beschimpfungen, Erwartungen in Bezug auf irgend was auch teilweise sehr massiv entgegengebracht bekommen haben. Da gibt es natürlich Personen, die hinter diesem Account stehen und die das auch moderieren müssen, die das entscheiden müssen, was davon kann stehenbleiben, was ist juristisch nicht tragbar- und so weiter. Das heißt, wir haben dann relativ schnell die Wissenschaftler:innen als Zielgruppe definiert, die Wissenschaftskommunikator:innen und die dann auch für ihre wissenschaftliche Einrichtung. Es kann auch sein, dass ganze Einrichtungen per se angefeindet werden.

Juliana Meyruhn

Wie sieht denn so eine Unterstützung aus? Gibt es da auch Unterschiede? Auf welchen Kanälen unterstützt ihr? Habt ihr so eine Guideline? Wie kann ich mir das vorstellen?


Julia Wandt

Ja, der Scicomm Support ist auf jeden Fall für alle Formen der Anfeindungen zuständig, also nicht nur für Online Anfeindungen, sondern auch für die Hilfe bei Offline Anfeindungen. Es passieren auch wirklich sehr, sehr viele Vorfälle auch vor dem Hintergrund des, sage ich mal, realen Lebens, also nicht nur online und auf gar keinen Fall nur Social Media. Und dann haben wir drei Säulen als Angebot. Wir haben die angesprochenen Informationsangebote, wir haben Leitfäden, die kann man auf unserer Website einsehen und herunterladen. Das ist auch das niedrigschwelligste Angebot. Da kann man sich Unterstützung holen, Rat holen, ohne dass man uns direkt kontaktiert. Dann haben wir ein großes Trainings-und Workshop-Angebot. Das wird auch immer stärker nachgefragt. Da können wir Arbeitsgruppen, ganze Einrichtungen, Professoren, was auch immer gerade ein Training haben möchten, sozusagen unterstützen und dort nicht nur vor dem Hintergrund, wenn Anfeindungen bereits stattgefunden haben, sondern grundsätzlich sind unsere Angebote auch alle für die Prävention. Und gerade bei den Trainings und Workshops kann man dann auch bestimmte, nicht nur Tipps geben, Hilfestellung geben, sondern auch bestimmte Formen der Anfeindungen simulieren. Wir haben zum Beispiel auch so eine riesen Simulationssoftware, wo wir dann auch ganz konkret mit Personen, wenn sie Interesse daran haben, dann solche Anfeindungen durchspielen können, simulieren können und dann bearbeiten können und ihnen dann helfen können.

Das ist sozusagen die zweite Säule. Und dann haben wir die persönliche telefonische Beratung. Das heißt, man kann uns jeden Tag, auch am Wochenende, auch an Feiertagen zwischen 7 und 22 Uhr telefonisch erreichen. Wir sind immer zu zweit in der Beratung und das war uns auch ganz wichtig, dass man auch, sage ich mal, außerhalb vielleicht normaler Arbeitszeiten, gerade auch am Wochenende, wenn man dann doch mal an eine Social-Media-Shitstorm oder so denkt, das kann dann sehr schnell, sehr groß werden und dann kann man teilweise nicht bis Montag früh warten, bis man vielleicht in der eigenen Einrichtung wieder wen erreicht. Das ist dann der dritte Teil. Und alle Angebote, alle drei Säulen, da beraten wir auf Kommunikationsebene, auf juristischer Ebene und auch auf psychologischer Ebene.


Ina Teloudis

Es ist ja ganz vielschichtig, was du gerade aufgezählt hast, auch euer Hilfsangebot. Das sind ja einmal auch absolut unternehmensrelevante Themen, die auch für die Hochschulen mega relevant sind. Wie verhält man sich an welcher Stelle? Das ist ja Krisenmanagement, was ihr macht, da begleitet. Aber auch Burnout-Prävention? Also ich kann mir schon vorstellen, dass Menschen da auch psychisch wirklich an der Grenze sind. Wie macht ihr das? Du sagt gerade, ihr haltet einen Notdienst ja quasi bereit. Mit wie viel Manpower leistet ihr das?


Julia Wandt

Ja, ob es Burnout-Prävention ist, das weiß ich gar nicht, ob wir uns das zuschreiben können und wollen. Aber natürlich sind einfach Personen ganz stark belastet oder sie können ganz stark belastet sein, wenn sie angefeindet werden. Und es ist dabei auch ganz wichtig, dass es um das subjektive Empfinden geht. Wir würden jetzt auch niemals bewerten: Ist das jetzt eine kleine Anfeindung, die man vielleicht aushalten muss, oder ist das eine große, die man nicht aushalten muss? Sondern da ist es ganz, ganz wichtig: Da geht es darum, was die Person empfindet, und dann unterstützen wir. Wir selber sind alles in der Beratung Kommunikationsexpert:innen. Das heißt, wir können diese kommunikative Unterstützung, das anschauen: Sollte man reagieren? Sollte man nicht reagieren? Wenn man reagiert, wie reagiert man? Also alles Kommunikationswissenschaftliche, alles, was die Kommunikationsexpertise betrifft, das machen wir selbst. Wir haben dann eine sehr, sehr gute Kanzlei an unserer Seite, die wirklich sehr ausgewiesen ist, auch im Persönlichkeitsrecht, im Medienrecht, im Informationsfreiheitsrecht und so weiter, die dann die gesamte juristische Ebene übernimmt, aber jeweils immer zusammen mit der Beraterin, dem Berater, die der den Fall gerade begleitet. Und im psychologischen Bereich denken wir, dass wir allein dadurch, dass wir zu erreichen sind und mit den Personen reden können, können wir schon sehr, sehr viel auch auf psychologischer Ebene helfen. Aber wir sind natürlich keine Psycholog:innen. Das heißt, wir haben auch für Personen, die sagen: Ich möchte jetzt über unser Gespräch hinaus, oder über, weiß ich nicht, dieses gute Gefühl, was ich dann vielleicht auch habe, allein dadurch, dass ich sehe, ich bin nicht alleine, mir hilft jemand. Also wenn ich darüber hinaus dann auch noch mit einer echten Expertin für Psychologie sprechen möchte, dann können wir das auch herstellen. Wir haben Beratungs-Kontingente im psychologischen Bereich mit Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen, auf die wir auch sehr kurzfristig zugreifen können. Das ist ja in Deutschland zurzeit etwas schwierig, sehr kurzfristig Termine zu bekommen. Deswegen können wir das direkt über unsere Kontakte zu den Universitäten anbieten und so teilen wir dann auch unsere Kompetenzen auf. Wir sind im Beratungsbereich so ungefähr 15 Personen zurzeit. Wir wechseln uns immer ab, immer eine Woche zu zweit und wir sind im Koordinationsteam gerade zu viert.

Ina Teloudis

Das klingt jetzt, als hättet ihr an alles gedacht. Was gibt es denn vielleicht aus dem Bereich der Hochschulen, der Forschungseinrichtungen, was wird da vielleicht noch liegen gelassen an Möglichkeiten, zu schützen? Gibt es da was, wo du sagen würdest, das wäre toll, wenn alle … ?


Julia Wandt

Und ich würde auch gar nicht sagen, dass wir an alles gedacht haben. Wir haben einfach sehr, sehr viel gelernt. Als wir angefangen haben, den Scicomm-Support aufzubauen, das war im Herbst '21. Und als wir, sozusagen, offiziell an den Start gegangen sind mit unseren Angeboten, das war im Juli '23. Das heißt, wir hatten auch erst mal fast zwei Jahre diese Aufbauzeit, in der wir sehr, sehr viel uns beigebracht haben, gelernt haben, aber auch unsere eigenen Expertisen anwenden konnten. Und dann haben wir natürlich auch im Rahmen unserer Beratung dann ab Juli unser Angebot weiterentwickelt. So sind zum Beispiel diese Workshops und Trainings dann auch erst nach ein paar Monaten dann dazu gekommen, weil wir gemerkt haben, das ist einfach ein unglaublich großer Bedarf. Und unser Ideal ist die Zusammenarbeit zwischen dem Scicomm-Support und den wissenschaftlichen Einrichtungen, also den Hochschulen. Und bislang klappt das auch bei jedem Fall hervorragend. Wir fragen immer die Person, die Unterstützung braucht, ob wir die Heimat Institutionen kontaktieren dürfen. Da hat bislang auch jede Person zugesagt. Trotzdem fragen wir das immer, weil das die Person entscheiden muss. Es kann ja auch mal sein, dass es Gründe gibt dafür, dass die Person das nicht möchte.

Und dann haben wir eigentlich das, was auch hinter dem Scicomm-Support als Konzept steht. Ich hatte ja am Anfang schon gesagt, dass es ganz, ganz tolle Kolleg:innen gibt in der Hochschul- Wissenschafts Kommunikation, die auch unterstützen. Aber es ist zum Beispiel etwas anderes, ob ich an einer großen Universität bin, die ein großes Kommunikationsteam hat und auch einfach aufgrund der Zeitressourcen eine intensive Begleitung von solchen Anfeindungs-Fällen gewährleisten kann oder ob ich zum Beispiel an einer kleinen Hochschule bin und im Zweifel alleine in der Hochschul- und Wissenschaftskommunikation bin oder vielleicht zu zweit. Das ist so das eine, diese Ressourcenfrage. Wir haben teilweise Fälle, die begleiten wir über mehrere Monate und über mehrere Gerichtsprozesse. Das muss man dann erst mal aus dem Tagesgeschäft heraus leisten können. Und dann sagen wir: Das können wir machen. Und es gibt auch diese rechtliche Expertise, die kann und muss auf gar keinen Fall jede Hochschule anbieten. Das wäre aus unserer Sicht dann auch wieder etwas, was sehr stark in die Ressourcen geht, also finanzielle Ressourcen. Und diese medienrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Expertise an Hochschulen aufzubauen, da ist unser Argument: Wir haben die Kanzlei an unserer Seite, wir können das anbieten. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Hochschul- Justiziariate sich auf Prüfungsordnungen, Personalrecht und so weiter fokussieren, weil – das haben wir auch gemerkt – man auch einfach dieses ganz, ganz, ganz hohe Niveau braucht, weil man nie weiß, welches juristische Niveau auch die Gegenseite dann hat und mit vor Gericht bringt.

Bislang haben wir alle Prozesse gewonnen. Die haben wir aber auch deswegen gewonnen, weil wir da so eine hohe Expertise haben. Und von daher ergänzt sich das eigentlich sehr, sehr gut zwischen den Hochschulen und dem Scicomm-Support.


Ina Teloudis

Dieses Ressourcen Ding, das ist das, was du gerade angerissen hast. Es ist ja oft so, dass in kleinen Einrichtungen tatsächlich die Personaldecke da ein kleines Leibchen ist an der Stelle. Auch was die Reaktion auf, ich sage mal das Wort Shitstorm ist. Also da sitzt dann tatsächlich eine Person alleine und muss es irgendwie handeln. Juliana, du hast gesagt, Meta hat gerade Anfang des Jahres auch noch mal was angepasst, sodass man im Grunde auch ganz alleine ist da im Feld?

Juliana Meyruhn

Ja, was da Mark Zuckerberg-seitig abging, dass er eben gesagt hat, aufgrund des politischen Kurswechsels auch in den USA, dass die konservativen Kräfte gesagt haben, das ist jetzt zu viel Zensur, wir müssen wieder offener werden. Und dadurch ist es jetzt eben leider passiert, dass laut …

Julia Wandt

Digital Service Act heißt der.

Juliana Meyruhn

Genau. Im ersten Quartal sind da etwa 33% Rückgang von Meldungen, weil das eben jetzt erlaubt wird oder nicht mehr so zensiert wird. Und das ist einfach krass zu sehen, weil dadurch wird einfach der Hass auch immer größer.

Ina Teloudis

Die Frage ist ja eigentlich: Bringt das was, wenn ich überhaupt irgendwas irgendwo melde? Ist das überhaupt ein Tool, über das ich mir noch Gedanken machen muss? Also als Social-Media-Managerin: „Bringt das jetzt was? Oder mache ich gleich „Block and bless und wir schmeißen einfach die Leute, die sich nicht an die Netiquette halten, einfach raus.

Julia Wandt

Ja, also es ist sehr unterschiedlich. Am besten funktioniert es wirklich in der Tat noch bei Google. Die haben noch so die besten -in Anführungszeichen. Ich setze alles in Anführungszeichen. Also auch Google ist nicht ideal, auf gar keinen Fall. Bitte nicht missverstehen. Aber weil du Juliana gerade Meta genannt hast … Also Google, würde ich sagen, da machen wir noch so die besten Erfahrungen auch in Bezug auf Reaktionszeiten, wenn man etwas meldet und dann auch wirklichen Löschungen. Meta war bislang noch so, sage ich mal, in der Zwischenphase. Also es war natürlich noch vor ein paar Jahren auch bei Meta wesentlich besser, dass man Reaktionen bekommen hat. Aber ich sage erst mal kurz was zu dem anderen Extrem. Das andere Extrem ist einfach X. Also nachdem Elon Musk Twitter gekauft hat, ist bei X es sofort eingebrochen. Sie haben sofort ihre internen Stellen und ihr intern auch bis dahin vorhandenes Personal in Bezug auf, wir gucken, ja, einfach Inhalte, die gegen Gesetze verstoßen. Wir sind ja beim Thema Anfeindungen. Und das war von einem Tag auf den anderen wirklich vorbei. Also X ist sozusagen das eine Extrem, Google ist okay und dazwischen war Meta. Meta bewegt sich jetzt aber leider auch mehr in die Richtung von X.

Und das ist ja das Kuriose, dieser Digital Service Act, der soll uns ja helfen. Aber es ist sozusagen schwierig und da kommen wieder unsere Juristinnen ins Spiel, die dann natürlich erst mal alle Formen des Juristischen ausschöpfen können. Aber wenn man dann man, sage ich mal, an ein Unternehmen wie X sich wendet und man hört nichts. Das ist sozusagen, sage ich mal, der juristische Anspruch, aber man muss den juristischen Anspruch auch durchsetzen können. Wir haben jetzt einen kleinen Vorteil, dass man X jetzt auch sozusagen in Irland erreichen kann, also dass sie zumindest noch auf europäischem Gebiet sich bewegen, aber das ist natürlich ein Thema und das merken wir. Und das merken wir nicht nur jetzt, sage ich mal, bei der Durchsetzung der juristischen Ansprüche, die Personen die unsere Hilfe brauchen, auch wirklich haben, sondern wir merken das vor allem auch daran, dass einfach ganz viel von dem, was unter Anfeindungen Inhalte fällt, auch überhaupt stehen bleibt. Da ist früher einfach auch schon viel mehr vorher einfach gelöscht worden von den Plattformen selbst und das hat sich komplett verändert.

Juliana Meyruhn

Ja, man muss halt dann einfach wissen, wie man damit umgeht. Und so ein Community Management, das ist nicht einmal die Woche reingucken und schauen, was passiert ist, sondern ich kenne viele, die da eine Vollzeitstelle ausgeschrieben haben, aber das ist eben auch wieder, wie du auch schon sagst, an Ressourcen geknüpft. Es ist einfach wichtig, dass man aber auch Kriterien festlegt, dass man so einen kleinen Leitfaden hat. Also, es kommt jetzt eine Hass Nachricht auf mich zu. Wenn ich das dann weiterleite an die Person von der Hochschule, dass die dann aber auch weiß, was zu tun ist, dass sie weiß, das ist jetzt Frau XY und sie ist die Krisenkommunikations-Chefin, und weiß jetzt, wie wir damit umgehen. Ich hatte auch mal eine sehr coole Weiterbildung zum Thema Shitstorm und Krisenkommunikation, wo wir auch mal sowas simuliert haben. Da wurden wir in Grüppchen aufgeteilt. Die einen waren die Social-Menschen, die anderen saßen in der PR, die anderen waren CEO. Und das war wirklich spannend, zu sehen, wie durcheinander das sein kann, wenn wirklich mal so was kommt. Und deswegen finde ich das gerade cool, dass ihr da einfach so ein Konzept habt und euch damit auseinandersetzt, wie man damit umgeht. Und mich würde mal so ein richtiges, wenn du das natürlich auch äußern darfst, Julia, so ein richtiges Beispiel mal interessieren. Also zum Beispiel, es ist jetzt 22 Uhr, euch hat einer angerufen: Was ist da zum Beispiel mal passiert? Was erzählt ihr euch und was macht ihr? Also wie sehen so die Steps aus?

Julia Wandt

Ja klar, gerne. Also unsere Fälle sind natürlich absolut vertraulich und diese Vertraulichkeit und auch diese Unabhängigkeit, die wir auch geben können, die sichern wir natürlich allen Personen zu, die unsere Beratung möchten. Ich kann trotzdem Beispiele geben, weil es zum einen Personen gibt, die ihre Anfeindung und auch unsere Unterstützung dann öffentlich sichtbar machen wollen, weil sie einfach möchten, dass in der Gesellschaft bekannt wird, wie man auch angefeindet werden kann. Also von daher kann ich vor diesem Hintergrund darüber sprechen und zum anderen kann ich es natürlich auch abstrahieren, weil wir zwar sagen, dass jeder Fall individuell ist und das ist auch so. Wir haben jetzt keine Pauschale Beratung Schablone, die wir immer anwenden können. Und wir haben auf jeden Fall bei jeder Beratung die Kommunikationsebene dabei. Das heißt, wir gucken erst mal: Ist es etwas, worauf man reagieren kann überhaupt? Wie hat die Anfeindung stattgefunden? Weil wenn es jetzt zum Beispiel etwas ist, dass ich einen Drohanruf kriege, dann kann ich gar nicht kommunikativ reagieren, dann kann ich im Zweifel gar nicht zurückrufen beziehungsweise ich will das natürlich auch gar nicht. Dann gibt es auch Fälle, wo in öffentlichen Veranstaltungen gestört wird.

Dann kann man zwar uns danach anrufen, aber dann können wir auch nicht mehr, sage ich so ad hoc, dann noch was sagen, wie man jetzt hätte in der Veranstaltung reagieren können. Das wäre dann sozusagen was für diese präventiven Workshops dann auch gewesen. Das heißt, es ist wahnsinnig individuell und es hängt einfach immer davon ab, kann man jetzt was tun oder kann man sozusagen jetzt noch rückwirkend auch was tun? Nehmen wir jetzt mal ein Beispiel, dass wir sagen, wir haben eine Social-Media-Anfeindung, dann bräuchte man jetzt noch mal eine Versachlichung. Wir empfehlen immer, ganz wichtig, alles zu dokumentieren, auch bei E-Mails, bei Droh-E-Mails. Ich weiß, dass man dazu neigt, das zu löschen oder das auch nicht sehen zu wollen und das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber erstens muss man es auch nicht selber lesen. Man kann Kolleginnen, Familie, Freundinnen bitten, das für einen zu tun oder man kann auch uns bitten, sich das anzuschauen und zu überprüfen, aber bitte nicht löschen, sondern immer dokumentieren, weil das, gerade wenn es dann juristisch wird, ganz, ganz wichtig ist. Das heißt, wir schauen dann erst mal da, was steht da drin. Ist es etwas, was man auch wirklich sofort selber löschen muss?

Wenn es zum Beispiel gegen das Grundgesetz verstößt, was man dann auf seinem eigenen Account stehen hat, dann sagen wir natürlich: Bitte runternehmen, aber vorher dokumentieren. Oder ist es etwas, wo man vielleicht auch noch einen Ansatzpunkt hat und sagt: Okay, da lohnt es sich auch noch mal, sachlich darauf zu antworten? Und das machen wir dann sozusagen. Und dann gibt es einfach auch Anfeindungen: Da lohnt es sich überhaupt nicht, weil die zum Beispiel auch technisch generiert sind. Das heißt, wir schauen uns in dieser Ganzheit an. Wir sprechen auch so lange, wie die Person das möchte, also wir das auch als wichtig erachten, weil das für uns auch ganz wichtig ist, dass wir den Fall auch in seiner Ganzheit erfassen und dann gucken wir: Ist es etwas, wo man jetzt auch wirklich ganz akut was machen muss? Ist es etwas, wo man sich jetzt einfach auch in Ruhe noch mal ein Konzept überlegen kann, gemeinsam? Also wir sind auf jeden Fall da, wir gehen auch immer ran. Wir sind durch auch technische Begebenheiten auch wirklich so vernetzt, dass wir auch jeden Anruf annehmen können und dann ist das halt eine Abwägung. Wir sagen den Personen auch immer, wenn es den persönlichen Schutz geht, also wenn sie sich wirklich auch jetzt bedroht fühlen in Bezug auf etwas Dass sie dann bitte auch erst an den Selbstschutz denken müssen.

Also zum Beispiel, wenn jetzt auch mal jemand – hatten wir auch schon – vorbeikommt im Büro und persönlich sprechen möchte, dann ist es natürlich auch wichtig, sich selbst erstmal zu schützen, vielleicht einzuschließen, die Polizei zu holen und danach gerne uns zu kontaktieren. Also wie auch immer die Situation ist, wir gehen mit der Person da durch, wir gucken nach Kommunikation, wir gucken nach juristischem und wir fragen dann natürlich auch immer: Wie geht es Ihnen? Brauchen Sie noch über unser Gespräch hinaus noch eine weitere Gesprächspartnerin Richtung Psychologie? Und dann haben wir wirklich ganz, ganz, ganz unterschiedliche Fälle.

Juliana Meyruhn

Habt ihr eine Zahl vorliegen, bei wie vielen Fällen ihr schon unterstützen konntet?

Julia Wandt

Ja, wir haben auf unserer Website es so eingerichtet, dass wir dort fortlaufend unsere Zwischenbilanz veröffentlichen. Da kann man sehen, wie viel Workshops bei uns angefragt wurden, wieviel durchgeführt wurden, wie viele Personen daran teilgenommen haben. Und in Bezug auf die persönliche telefonische Beratung stehen wir gerade bei 109 Personen und differenzieren dabei aber nach den Kontaktpunkten. Wir haben gesagt, wir haben Personen, denen konnten wir mit ein bis drei Kontaktpunkten, also entweder Telefonaten oder E-Mails, helfen. Das sind 44 von diesen 109. Dann haben wir so eine Zwischenebene mit vier bis neun Kontaktpunkten. Das sind 31 dieser 109 Beratungsfälle und dann haben wir 32 mit über zehn Kontaktpunkten und da teilweise, wie ich eben auch schon gesagt hatte, Unterstützung über mehrere Monate. Wir haben auch ein, zwei Personen, die begleiten wir seit über einem Jahr. Das hängt dann davon ab, ob man jetzt vor Gericht gehen musste oder nicht. Das heißt, es sind 109 Personen, aber man muss dann auch schauen, wie intensiv und zeitaufwendig die Beratung dann ist und das fließt dann natürlich auch mit hinein. Da kann man sich alles ganz gut dann auch anschauen, wenn man das möchte und uns ist einfach wichtig, dass wir das auch fortlaufen und aktualisieren können. Du hast eben das Community Management genannt und das fand ich total spannend und total wichtig. Und was da aus meiner Sicht auch wirklich eine sehr, sehr gute Entwicklung ist an den Hochschulen, ist im Rahmen des Community Managements dann auch an die Unterstützung zu denken, die durch andere Personen kommen können. Also Community Management auch im Sinne von Bystander-Interventionen, dass man aktivieren kann oder zumindest versucht zu aktivieren und auch ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie auch Personen, die sich vielleicht scheinbar heraushalten aus der Diskussion, die auch die angefeindete Personen unterstützen können. Es ist nämlich leider so: Wenn Personen nicht reagieren, dann wird das in der Regel eher der Zustimmung der Anfeindungen zugerechnet und nicht der Unterstützung der Person, die angefeindet wird, und dass man einfach auch mal ein Bewusstsein dafür schafft, was vielleicht auch einfach nur, wenn ich da ein Herz verteile oder wenn ich vielleicht auch der Person eine private Direktnachricht schreibe, wenn ich mich jetzt nicht öffentlich traue oder einfach ich öffentlich nicht möchte, dort sichtbar zu werden, dann hilft es sehr, sehr stark. Und das fiel mir noch ein, als du dieses ganz, ganz wichtige Element des Community Managements genannt hat.

Und das ist auch noch mal eine Verbindung, die wir auch ganz stark uns anschauen, auch mit den Hochschulen zusammen, dass man da auch wirklich diese Wirkung auf gar keinen Fall unterschätzen darf.

Juliana Meyruhn

Man denkt immer, Community Management, das ist jetzt eine Person, weil das ja die Berufsbezeichnung in dem Sinne ist. Aber eigentlich ist die Community oder die wirkt ja eigentlich wie so ein soziales Korrektiv. Also sie kann natürlich den Hass nicht verhindern, aber sie entscheidet eben mit, wie sichtbar und wirksam oder auch folgenlos der Hass halt auch bleiben kann. Und der Unterschied zu dem Beruf Community Management und der Community selber ist, dass die Community oftmals auch viel schneller agieren kann als eben das Moderationsteam. Also was ich eben meinte, die Ressourcen, die fehlen und die Community selbst kann das eben verhindern.

Ina Teloudis

Man sieht das ja an diesen großen Playern, wie Tagesschau oder auch Bundestag oder BVG ist auch ein super Beispiel. Die haben ihre Community-  erzogen ist ein fieses Wort an der Stelle, aber die sind natürlich über die Jahre so geprägt, die wissen ganz genau, welcher Ton angebracht ist und welcher nicht. Und die haben sich selbst erzogen, so ein bisschen. Also da passiert natürlich auch was, aber es wird gleich eingedampft von allen Seiten und artet vielleicht nicht so aus.

Julia Wandt

Und es ist ja dann auch nochmal viel, viel wirkungsvoller, wenn viel, viel mehr Accounts sozusagen reagieren, als nur, in Anführungszeichen, nur der offizielle institutionelle Account. Also selbst wenn eine dafür angestellte Person Tag und Nacht verfügbar wäre, nur theoretisch, das soll sie auf gar keinen Fall sein, dann ist sie trotzdem alleine dahingehend, dass gar nicht, sage ich mal, ein größeres Echo entstehen kann von Personen oder auch anderen institutionellen Accounts, die einfach der Person, die anfeindet ganz klar aufzeigen kann: So funktioniert das nicht. Und wirklich diese Gegenrede, das darf man auch wirklich nicht unterschätzen, wie stark die auch wirklich den Personen hilft, die angefeindet werden, weil das einfach ein Zuspruch ist. Und darum geht es. Du hast auch gerade gesagt, Juliana, das ist auch vollkommen richtig und interessant: Wir können die Anfeindungen auch nicht verhindern. Also, niemand von uns kann die Anfeindungen verhindern. Wir können schauen, ob man das, sage ich mal, durch eine professionelle Kommunikationsberatung im Vorfeld vielleicht ein paar Fallstricke schon abwenden kann. Aber, dass es Anfeindungen geben wird, das ist zumindest auf absehbare Zeit, wird es leider so bleiben. Aber umso wichtiger ist, dass man sich darauf einstellt.

Es ist auch was ganz anderes, wenn eine Person, die angefeindet wird, sich vorher schon damit befasst hat, dass es passieren kann. Dass sie sich ein bisschen darauf einstellen kann, dass sie weiß, wo sie dann Unterstützung bekommt. Das ist was ganz anderes, als – und das hatten wir auch in der Beratung – es einen einfach eiskalt erwischt, sage ich mal, und man jetzt überhaupt nicht weiß, sich hilflos fühlt, vielleicht auch wirklich ein Anwaltsschreiben der Gegenseite gleich im E-Mail-Postfach findet und da die Androhung eines sechsstelligen Strafbetrages drin steht. Und wenn man dann, sage ich mal, jung ist, vielleicht noch promoviert, auch jetzt gar nicht daran denken würde, dass man gar nicht die Ressourcen hat, gleich sich anwaltliche Hilfe zu holen, das macht einen Unterschied. Das heißt, Anfeindung verhindern geht nicht, aber man kann sich gemeinsam darauf vorbereiten und gemeinsam schauen, wie man sich gegen gleichzeitig unterstützt. Und weil ich das auch gerade noch mal gesagt habe, mit dieser Androhung auch von Strafgeldern, uns ist auch wichtig, dass unsere Angebote kostenlos sind, also dass wirklich jede Person, egal welchen Karrierefortschritt, welches Alter, sich sozusagen an uns wenden kann, ohne dafür Geld haben zu müssen.

Ina Teloudis

Was würdest du sagen, wie hat sich, ich sage mal, dieses Hassklima ausgewirkt auf die Kommunikation, auf die Wissenschaftskommunikation insgesamt? Weil ich könnte mir vorstellen, dass es wirklich viele, na, verstummen lässt will ich nicht sagen, aber dass das schon einen Effekt hat auf jemanden, der, wie du sagst, der ist vielleicht ganz jung, will noch Karriere machen vielleicht und überlegt sich dann dreimal, ob er rausgeht vielleicht mit irgendwas.

Julia Wandt

Ja, ist eine ganz interessante und wichtige Frage. Also ich würde sagen, es hat gar nichts direkt mit dem Karrierefortschritt oder mit dem Alter zu tun. Wir haben auch viele fortgeschrittene Wissenschaftler:innen, also Personen, die seit Jahrzehnten schon auf ihren Professuren sind. Die können in die eine Richtung reagieren oder in die andere. Und genauso ist es auch auf Ebene der Doktorand:innen oder der Post-Docs, dass sie sagen: Ich werde jetzt angefeindet und das ist ganz schlimm für mich und ich möchte da irgendwie mit umgehen. Oder es gibt auch Personen, die sagen: Ich werde angefeindet, aber das motiviert mich erst recht, wenn ich mir Hilfe hole, dann nicht rauszugehen. Dieses Verhindern des Rückzugs von Wissenschaftler:innen und wissenschaftlichen Einrichtungen aus der öffentlichen Kommunikation über Wissenschaft war eines und ist immer noch eines der beiden zentralen Ziele der Gründung des Scicomm-Supportes. Das zweite ist die Stärkung der Resilienz des Wissenschaftssystems insgesamt gegen Hassrede, Wissenschaftsfeindlichkeit und weitere Formen von Angriffen. Das heißt genau das, was du sagst, war mit die Motivation zu sagen, wir möchten, soweit es geht, verhindern, dass Personen sich zurückziehen aus der Wissenschaftskommunikation. Wir werden das auch nicht bei jeder Person verhindern können und das ist auch vollkommen in Ordnung.

Wie gesagt, hier geht es darum, dass eine Person sich subjektiv gut fühlt, wenn sie kommuniziert. Und nicht alleine ist. Und genau das kann dann dazu beitragen, dass wenn wir zeigen, sie sind nicht alleine, ihr seid nicht alleine, dass man dann sagt: Okay, vielleicht mache ich mal eine Pause. Hatten wir auch Personen, die gesagt haben, so geht es manchmal drei, vier Monate kein Interview, aber dann steige ich wieder ein. Wir hatten bislang – das ist in keiner Weise repräsentativ, weil die Leute sich ja, sage ich mal, selbst motiviert bei uns melden – aber wir hatten bislang bei uns in der Beratung auch keine Person, die dann gesagt hat: Jetzt mache ich nichts mehr in der Wissenschaftskommunikation, zum Glück, sondern es war so eine Mischung aus: Ich habe jetzt Unterstützung bekommen. Ich weiß auch, was ich vielleicht beim nächsten Mal anders mache. Gar nicht, damit die Anfeindung nicht kommt, sondern das ist ganz, ganz wichtig. Das sagen wir den Leuten: Ihr seid nicht selbst dafür verantwortlich, dass ihr angefeindet werdet, aber wie man damit umgeht dann einfach auch. Das ist natürlich dann das, was uns dann auch freut, wenn wir das damit erreichen.

Ina Teloudis

Gibt es irgendwas, ich will das jetzt gar nicht in die politische Ecke zerren, aber gibt es irgendetwas, wo du sagen würdest, Das wäre jetzt toll, wenn das passieren würde, was euch vielleicht einfacher macht, eure Arbeit einfacher macht? Fehlt ein Gesetz?

Julia Wandt

Also erst einmal muss ich sagen, dass die politische Ecke, wie du es gerade nennst, gerade ein ganz klares Signal gesetzt hat. Sie hat nämlich die Finanzierung des Scicomm-Supports in den Bundeshaushalt aufgenommen, von 2025 bis 2028. Das freut uns auf der einen Seite wegen des Geldes, natürlich. Auf der anderen Seite ist es für uns aber auch ein klares Zeichen, dass auf politischer Ebene das Thema ernst genommen wird. Wir wissen, dass ganz, ganz viele Abgeordnete von allen demokratischen Parteien, zumindest in der Bundesregierung, unsere Arbeit unterstützen und das auch unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Das ist ein ganz, ganz starkes Zeichen auf jeden Fall, für das wir uns auch auf jeden Fall noch mal bedanken. Und darüber hinaus ist es, glaube ich, ein schwieriges Thema. Aber wie gesagt, dadurch, dass die Politik das Thema als wichtig erachtet und auch dadurch in der inhaltlichen Arbeit und auch im Koalitionsvertrag steht es ja. Und wenn wir dann einen Schritt weitergehen, also Anfeindung in der Wissenschaftskommunikation, dann ist man ja auch bei den Begriffen Wissenschaftsfreiheit. Juliana, du hast die USA genannt. Stimmt. Was da passiert dort gerade ist unsäglich mit den US-amerikanischen Universitäten und vor allem, wie schnell ist es gegangen. Und das ist auf jeden Fall etwas, was auch die deutsche Politik gerade auf ihrer Tagesordnung hat.

Und da merken wir einfach, da muss man sich wirklich zusammenschließen. Da müssen wissenschaftliche Einrichtungen, da müssen die demokratischen, politischen Parteien, die wir in Deutschland haben, und alle, die sich für diesen Schutz der Wissenschaftsfreiheit und eine Verhinderung dessen, was in den USA passiert, dass das auch hier bei uns passiert. Da kann man nur gemeinsam dran arbeiten. Von daher wäre das auf jeden Fall noch mal auch ein Wunsch beziehungsweise dadurch, dass ich weiß, dass es der Tagesordnung steht, dann einfach noch mal eine Bekräftigung, eine Bestärkung an die Politik, da wirklich so viel wie möglich die Zeit, die wir jetzt haben, zu nutzen, dafür hoffentlich so viel Vorkehrungen wie möglich treffen zu können beziehungsweise auch zu überlegen, was man macht, wie man reagieren kann, wenn es auch Dinge gibt, für die man keine Vorkehrungen gerade treffen kann.

Ina Teloudis

Ich glaube, das war ein spannendes Schlusswort, Julia, aber der Weg scheint ja eingeschlagen und wir hoffen, dass der genauso weiter beschritten wird, wie du es gerade gesagt hast. Also danke einfach mal, dass du so ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert hast und uns mal mitgenommen hast. Ich persönlich finde, das ist eine super sinnstiftende Aufgabe, die ihr da habt. Wirklich toll, was ihr im Kleinen und im Großen und ganz Großen da anpackt.

Julia Wandt

Ja, da kann ich auch den Kolleg:innen einfach noch mal danken. Also es arbeiten alle ehrenamtlich. Also die Gelder, die wir jetzt einwerben, die brauchen wir bis auf eine Stelle, die wir haben von einer Person bei uns im Team, brauchen wir ausschließlich auch für die juristische Beratung, für die juristische Unterstützung, für die psychologischen Angebote. Gerade weil sich da so viele ehrenamtlich engagieren und weil wir auch einfach in unserem Netzwerk so viele tolle Einrichtungen haben, die auch Stiftungen, andere Einrichtungen wie Hate Aid oder Initiativen auch von den Landeskriminalämtern und Ähnlichen. Das freut uns einfach sehr und da möchte ich diesen Dank auch einfach weitergeben, weil je geschlossener wir da auch einfach auftreten als sichtbare Einrichtungen, Institutionen oder auch Zivilgesellschaft will ich es jetzt mal nennen, desto besser ist es.

Juliana Meyruhn

Und auch, dass sich die Leute trauen, euch zu kontaktieren. Das ist eben auch ein Punkt. Diese Hemmschwelle - ist mein Fall jetzt schlimm genug, da mal anzufragen, ob sie mir helfen können?

Julia Wandt

Da würde ich immer sagen, bitte auf jeden Fall kontaktieren. Es erfolgt keinerlei Wertung, aber du hast so vollkommen recht. Das muss auch erstmal gelernt werden. Das muss sich herumsprechen und das spricht sich auch herum. Das ist gut und wichtig. Aber genau dazu motivieren wir auch, uns auf jeden Fall zu kontaktieren. Wir können auf jeden Fall weiterhelfen. Und das Einzige, wo wir sagen, dass wir jetzt nicht zuständig sind, ist, wenn der Fall überhaupt nichts mit Wissenschaftskommunikation zu tun hat. Aber ansonsten, bitte, möchte ich auf jeden Fall auch nochmal dazu aufrufen.

Ina Teloudis

Und wie du vorhin ja auch selber gesagt hast, wir sind ja alle auch Teil dieser Zivilgesellschaft, die so ein bisschen daran mitstricken kann, dass die Strukturen stark sind und widerstandsfähig. Ich werde öfter mal das eine oder andere Kommentar liken, das mir gefällt, dass meine Meinung widerspiegelt und so ein bisschen supportive ist.

Julia Wandt

Auf jeden Fall sehr gerne.

Ina Teloudis

Dankeschön. Danke. Ja, ordentlich Input und Deep Dive, so wie wir es angekündigt haben. Juliana, was hast du so mitgenommen? Was ist hängen geblieben, deine Main Take-Aways?

Juliana Meyruhn

Also das Angebot von Scicomm-Support ist super niederschwellig und kostenlos. Da ist immer jemand ansprechbar, von der kleinen Anfrage bis hin zur juristischen Unterstützung. Die Bandbreite der abgedeckten Themen ist ebenfalls richtig, richtig groß, sei es im Social-Bereich oder auch bei Veranstaltungen et cetera. Dann einfach Prävention ist Key. Man kann sich nicht vor Angriffen schützen, aber man kann sich darauf vorbereiten. Dann auch noch, dass die Bystander wirklich wertvoll sind. Eine unterstützende Community kann einfach die Social-Media-Managerinnen und Manager entlasten. Und, was ich richtig gut finde, dass die auch weiter ihre Arbeit machen können, denn die Mittel dafür kommen aus dem Bundeshaushalt.

Ina Teloudis

Das ist auch schön, dass da erkannt wurde, wie wichtig das Thema ist. Okay, vielen Dank, Juliana, fürs Einordnen.
Und das war es mit Folge 6 von Inside Hochschulkommunikation, Powered by Bundesverband Hochschulkommunikation und Mandarin EDU. Alle Kontaktmöglichkeiten, natürlich zu Julia, aber auch zu Scicomm-Support, findet ihr bei uns in den Shownotes. Und wenn euch diese Folge gefallen hat, wenn ihr denkt: Mensch, ich kenne jemanden, der muss das unbedingt hören, was wir hier besprochen haben, teilt sie gerne in euren Netzwerken und bewertet uns auf der Plattform eures Vertrauens. Vielen lieben Dank fürs Zuhören und bis in 14 Tagen.